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Frank Mörmann

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Aktuell


03.08.2022

Solidaritätszuschlag: Festsetzung ab dem Veranlagungszeitraum 2020 weiterhin verfassungsgemäß?

Ja – so entschied das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg. Das FG Baden-Württemberg wies die zulässige Klage der Kläger als unbegründet ab. Die eingelegte Revision ist beim Bundesfinanzhof unter dem Az. IX R 9/22 anhängig.

Entgegen der Auffassung des beklagten Finanzamts sei die Klage zulässig, obwohl hinsichtlich der Frage, ob der Solidaritätszuschlag verfassungsgemäß sei, die Festsetzung vorläufig ergangen sei. Die beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängigen Verfahren (Az. 2 BvR 1505/20, 2 BvL 6/14 und 2 BvR 1421/19) könnten nach Auffassung des FG Baden-Württemberg unzulässig sein bzw. unterschieden sich vom Streitfall. Das beim BVerfG anhängige Verfahren 2 BvR 1505/20 richte sich unmittelbar gegen die gesetzliche Neuregelung des Solidaritätszuschlags. Der Rechtsweg sei im Gegensatz zum Streitfall nicht ausgeschöpft worden. Die Verfahren 2 BvL 6/14 und 2 BvR 1421/19 beträfen weder Veranlagungszeiträume nach dem Auslaufen des Solidarpakts II noch die streitgegenständliche Gesetzesfassung des Gesetzes zur Rückführung des Solidaritätszuschlags (RückfSolZG) ab Veranlagungszeitraum 2021. Diese eröffne im Vergleich zu den vorherigen Gesetzesfassungen neue Streitfragen.

Der 10. Senat des FG Baden-Württemberg war nicht von der Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlags überzeugt und wies die Klage als unbegründet ab. Er berücksichtigte die Gesetzesbegründung zur Einführung des Solidaritätszuschlags als Ergänzungsabgabe (Ausgleich teilungsbedingter Sonderlasten), die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (verfassungsgemäße Festsetzung des Solidaritätszuschlags aufgrund der fiskalischen Ausnahmensituation infolge der Wiedervereinigung), das Auslaufen des Solidarpakts II mit Auswirkungen auf den Finanzausgleich seit 2020 sowie den Sinn und Zweck einer Ergänzungsabgabe (subsidiäres Finanzmittel zur Finanzierung eines aufgabenbezogenen Mehrbedarfs des Bundes), deren Aufkommen ausschließlich dem Bund zustehe. Die Ergänzungsabgabe beschränke sich auf Mehrbelastungen des Bundes. Die Gestaltungsfreiheit ermögliche die Wahl zwischen einer Ergänzungsabgabe und einer Steuererhöhung, solange die dem Bund und den Ländern zustehenden Steuern nicht ausgehöhlt werden. Die kassenmäßigen Steuereinnahmen sowie die Höhe des Solidaritätszuschlags belegten jedoch ein angemessenes Verhältnis.

Entgegen den Ausführungen der Kläger müsse eine Ergänzungsabgabe weder befristet noch nur für einen kurzen Zeitraum erhoben werden. Dies gelte im Streitfall auch, obwohl eine verfassungsgemäß beschlossene Ergänzungsabgabe verfassungswidrig werden könne, wenn sich die für die Einführung maßgebenden Verhältnisse grundlegend änderten. Denn der wiedervereinigungsbedingte zusätzliche Finanzierungsbedarf des Bundes, z. B. im Bereich der Rentenversicherung, bestehe fort. Außerdem habe der Gesetzgeber „die konkrete fiskalische Ausnahmelage hinreichend deutlich erkennbar“ gemacht. Eine genaue Bezeichnung der zu finanzierenden Aufgaben in der Gesetzesbegründung, d. h. die Angabe einer detaillierten Zweckbestimmung, sei nicht erforderlich. Neue Aufgaben könnten hinzukommen, so z. B. die Finanzierung der Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie und der Ausnahmesituation infolge des Ukraine-Konflikts. Dieser besondere Finanzbedarf könne zu berücksichtigen sein. Im Haushaltsplan könnte eine entsprechende Feststellung erfolgen.

Auch die konkrete Ausgestaltung der Festsetzung des Solidaritätszuschlags ab Veranlagungszeitraum 2021 sei verfassungsgemäß. Freigrenzen und eine sog. Milderungszone seien unter Beachtung der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit und der zulässigen Verfolgung von Förderungs- und Lenkungszwecken aus sozialen Gründen zulässig. Diese Maßnahmen mit stärkerer Besteuerung höherer Einkommen entsprächen dem Leistungsfähigkeitsprinzip. Sie stellten nach der Gesetzesbegründung „zudem eine wirksame Maßnahme zur Stärkung der Arbeitsanreize, Kaufkraft und Binnenkonjunktur dar. Bürgerinnen und Bürger mit mittleren und niedrigeren Einkommen hätten eine deutlich höhere Konsumquote als Spitzenverdienende, d. h. sie seien typischerweise gezwungen, deutlich mehr von ihrem Einkommen für Güter und Dienstleistungen auszugeben“. Im Übrigen sei bereits der Spitzensteuersatz gesenkt und ein Ausgleich geschaffen worden. In Bezug auf die Besteuerung von Kapitalerträgen gebe es eine sog. Günstigerprüfung, sodass diese Einkünfte entweder mit dem Abgeltungssteuersatz mit Festsetzung eines Solidaritätszuschlags in voller Höhe auf die Kapitalertragsteuer oder mit dem niedrigeren individuellen Steuersatz berechnet werden können. Außerdem sei die fehlende Einbeziehung von Körperschaften in die geplante Abschmelzung des Solidaritätszuschlags infolge der völlig anderen Tarifstruktur zulässig.

FG Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 05.07.2022 zum Urteil 10 K 1693/21 vom 16.05.2022 (nrkr - BFH-Az.: IX R 9/22).